Mein Wehrdienstunfall
Anfang Januar verlegte das Bataillon nach Amberg/Hohenfels. Auf dem amerikanischen Truppenübungsplatz sollte wieder eine Übung –unter winterlichen Bedingen- stattfinden.
An einem der nächsten Tage bzw. Nächte war ein Schießen und anschließend motMarsch (motorisierter Nachtmarsch) angesetzt. Morgens war normaler Dienst. Mittags war schon eine Ballerei angesetzt. Wir mussten durch den Wald pirschen, mit geladener Knarre und die Pappkameraden, die hinter Bäumen oder Holzstapeln hervorlugten bzw. auftauchten, erschießen. Meine Trefferzahl war gleich null. Ich hatte nicht nur den Krieg verloren sondern auch die letzten Sympathien meines Kompaniechefs.
Der erste Anschiss war fällig.
Beim Nachtschießen wurde mit Leuchtspurmunition geschossen und wir hatten zur Tarnung weise Überwürfe an und sahen damit fast wie Engel aus. Hei war das ein herrliches Schauspiel. Egal ob getroffen oder nicht, die Munition hinterließ funkelnde Leuchtspuren. Ich hatte mal wieder nur Fahrkarten geschossen. Außerdem war unser Ersatzspieß so guter Laune, dass er sich kriegswidrig –unangebrachte Lautstärke- mit uns unterhielt.
Der zweite Anschiss war fällig.
Beim motorisierten Nachtmarsch lenkte ich das Führungsfahrzeug. Nur ich hatte Tarnlicht an. Alle anderen Fahrzeuge fuhren ohne jegliche Beleuchtung hinter mir her. Die Straßen auf dem Truppenübungsplatz waren nicht geteert. Die Panzer, die ja auch hier übten, hatten ordentliche Spuren hinterlassen und teilweise verlief die Straße knapp an Abhängen vorbei. Es war schon ein mulmiges Gefühl für viele Fahrer; insbesondere bei größeren Fahrzeugen.
Die halbe Strecke zu den Unterkünften hatten wir zurückgelegt, als plötzlich der Kommandeur mitten auf der Straße stand. Ich musste jetzt ohne Tarnlicht fahren. Da mein Hauptmann keine Einwendungen hatte, machte ich das Tarnlicht aus und fuhr weiter.
Wir waren in der Unterkunft, hatten uns teilweise schon bettfertig gemacht –ich auch- und da kam
Der dritte Anschiss.
Mein Kompaniechef Hauptmann Puff schäumte ob der Tatsache, dass ich mich so idiotisch benommen hätte und ohne Tarnlicht gefahren wäre. Ob mir bewusst sei wie leichtsinnig und gefährdend gegen Mensch und Material ich gehandelt hätte.
Ich nahm auch den dritten Anschiss widerspruchslos entgegen und ging zu Bett. Es war etwa zwei Uhr. Die Turbulenzen des Tages brachten es wohl mit sich, dass ich im Schlaf noch einmal alles durchlebte und vielleicht „stramm" stand. Auf alle Fälle fiel ich in Gegenwart von ca 120 Soldaten aus der zweiten Bettetage mit dem Kopf voran auf den Betonboden.
Ich wachte erst morgens gegen sieben in einem fremden Sanitätsbereich auf, weil mir der Duft eines scheußlichen Gebräus in die Nase stach. Dann wurde ich in das Bundeswehrlazarett nach Amberg verlegt. Bettruhe und starke Schmerzmittel waren die ganze Therapie. So ging das drei Wochen. In dieser Zeit besuchte mich ein Sanitäter unserer Kompanie und erzählte mir, dass ich ihm beim Transport in den Sani-Bereich einen Kinnhaken versetzt hätte und aus dem Sanka aussteigen wollte. Er meinte noch: sei froh, dass du hier bist. Die Winterübung ist regelrecht ins Wasser gefallen. Der Schnee auf den mit Tannenzweigen errichteten Unterkünften sei geschmolzen wie Butter in der Sonne.
Dann sollte ein zweites EEG (Elektroenzofallogramm) zeigen, ob eine Besserung eingetreten war. Dies wurde diesmal nicht im Krankenhaus gemacht sondern bei einem Neurologen in Amberg. Der Fahrer raste regelrecht mit seinem VW-Bus durch die Gassen. Nachts musste ich es büßen. Bewusstlosigkeit mit Erbrechen und Durchfall waren die Folgen. Meinem Zimmernachbarn –dem fiel der Panzerdeckel auf den Kopf- hab ich zu verdanken, dass das Lazarettpersonal rechtzeitig bei mir eintraf.
Weitere zwei Wochen Lazarettaufenthalt waren die Folge. Ich bekam einen neuen Zimmernachbar. Den konnte man den Hühnern füttern.
Bettruhe und viel Milch ließen mein Körpergewicht auf nahezu 100 kg steigen. Meine schicke Uniform und mein Koppel waren wie ein Eisenpanzer.
Erich Peter Kuhn©
Redaktionell ergänzt im Juli 2014
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